Ein entspannter Guide für Einsteiger (auch mit dem Handy).
Fokus klingt erstmal trocken und technisch — als wäre es nur etwas für Kameraknöpfe-Nerds. Dabei ist richtig fokussieren einer der einfachsten Hebel, mit dem du sofort bessere Fotos machen kannst. Ein scharfes Bild zieht den Blick, erklärt die Szene und rettet oft ein Foto, das sonst nur aus Farben und Formen bestehen würde. Dieser Text ist für dich, wenn du gerade anfängst, gern draußen fotografierst (Wald, Küste, Wiesen, Berge) und wissen willst, wie du schärfe gezielt einsetzt — egal ob Spiegelreflex, Systemkamera oder Smartphone.
Ich schreibe locker, praktisch und mit vielen konkreten Tipps, die du sofort ausprobieren kannst. Am Ende gibt’s eine Checkliste und ein paar kleine Übungsaufgaben.
Warum Fokus überhaupt wichtig ist
Kurz und knapp: Fokus ist das, was das Auge des Betrachters lenkt. Wenn dein Hauptmotiv nicht scharf ist, guckt die Person im Bild verloren herum. Bei Landschaften kann das Motiv ein Seeufer, ein einzelner Baum, eine Felsformation oder die Vordergrundstruktur (Steine, Gräser) sein. Schärfe kann Atmosphäre schaffen: glasklares Vordergrunddetail + sanftes Hintergrund-Bokeh erzeugt Tiefe; durchgehende Schärfe vermittelt Weite.
Für Handyfotograf*innen gilt dasselbe: moderne Smartphones können zwar viel rechnen, aber du musst trotzdem entscheiden, wo die Bildwirkung liegen soll. Fokus ist eine kreative Entscheidung, kein technischer Fehler.

Grundbegriffe (kurz & verständlich)
- Autofokus (AF): Kamera sucht automatisch die schärfste Stelle. Gut für schnelle Motive.
- Manueller Fokus (MF): Du drehst am Fokusring oder verschiebst im Touchscreen den Schärfepunkt. Gut bei Stativ, Low Light, Makro.
- Schärfentiefe / Depth of Field (DoF): Bereich vor und hinter dem Fokuspunkt, der noch scharf wirkt. Kleine Blendenzahl (z. B. f/2.8) = geringe DoF; große Blende (z. B. f/11) = viel DoF.
- Hyperfokale Distanz: spezielle Distanz, die maximal viel Landschaft scharf abbildet — nützlich für Weitwinkel und Vordergrunddetails.
- Fokus-Peaking: Funktion, die scharfe Kanten farbig markiert (bei vielen spiegellosen Kameras und manchen Apps).
- Back-Button-Focus: AF ist einem Knopf am Rücken zugewiesen (nicht dem Auslöser). Sehr nützlich für präzise Kontrolle.
- Focus stacking: Mehrere Bilder mit unterschiedlichen Fokuspunkten aufnehmen und später zu einem durchgehend scharfen Bild kombinieren.
Fokus für Landschaften: die Prinzipien
- Bestimme das Hauptmotiv. Frage dich: Was soll der Betrachter zuerst sehen? Vordergrund (Gras, Kies), mittlerer Bereich (See, Baum), oder Hintergrund (Berge, Wolken)?
- Wähle die Schärfeebene bewusst. Für viel Tiefenschärfe: auf etwa 1/3 der Szene fokussieren (bei Landschaften funktioniert oft der Vordergrund im Drittel gut) oder hyperfokal einstellen. Für Betonung des Vordergrunds fokussiere darauf.
- Blende kontrollieren. Landschaften profitieren oft von f/8–f/16 (je nach Objektiv). Vermeide zu kleine Blenden (f/22+) wegen Beugungsunschärfe.
- Stativ nutzen. Ermöglicht kleine ISO-Werte, längere Verschlusszeiten und präzisen Fokus (Live-View, Vergrößerung).
- Vermeide zu viel Recompose (Fokus & neu Bildaufbau). Wenn du auf einen Punkt fokussierst und neu komponierst, kann sich der Fokus minimal verschieben — das ist besonders bei sehr geringer Schärfentiefe sichtbar. Besser: AF-S, Fokus neu setzen oder AF-Lock verwenden.
Praktische Techniken — Kamera & Objektiv
A. Hyperfokales Fokussieren
Perfekt für Weitwinkel mit Vordergrundelementen.
- Stelle Blende (z. B. f/11) und Brennweite ein.
- Berechne hyperfokale Distanz (Apps oder Tabellen helfen) oder fokussiere grob ein Drittel in die Szene.
- Ergebnis: alles von etwa der halben hyperfokalen Distanz bis Unendlich ist ausreichend scharf.
Tipp: Für Anfänger reichen grobe Angaben: bei 24 mm, f/11, Fokus auf ~3–5 Meter ergibt oft gute Allround-Schärfe.
B. Fokus-Peaking & Live-View-Vergrößerung
- Nutze Live-View (oder den Bildschirm beim Spiegelreflex) und zoome digital rein, um den Fokus genau zu setzen.
- Bei spiegellosen Kameras: Fokus-Peaking einschalten, wenn vorhanden — es zeigt dir die schärfsten Kanten.
C. Fokus-Stacking für extreme Schärfe
- Besonders bei nahen Vordergründen + weiter Landschaft.
- Vorgehen: Stativ, mehrere Aufnahmen mit jeweils leicht verschobener Fokus-Ebene. Später in Lightroom/Photoshop oder spezialisierter Software stacken.
- Hinweis: Nicht bei bewegtem Laub/Wasser, da Artefakte entstehen können.
D. Back-Button-Focus (Fortgeschritten, sehr nützlich)
- Trenne Auslösen und AF: AF wird per Daumentaste aktiviert, Auslöser nur noch auslösen.
- Vorteil: Du behältst die Fokusfixierung, während du die Komposition veränderst. Sehr praktisch bei sich ändernden Lichtverhältnissen oder komplexen Szenen.
Fokus mit dem Handy — was du sofort tun kannst
Die gute Nachricht: Du brauchst kein Profi-Equipment. Viele Tricks funktionieren sehr gut mit dem Smartphone.
1. Tippe, um zu fokussieren
- Tippe auf den Bildschirm an die Stelle, die scharf sein soll. Viele Handys zeigen „AE/AF Lock“ (Belichtungs-/Fokus-Lock), wenn du länger gedrückt hältst.
2. Verwende den Pro-/Manuell-Modus
- Bei iOS „ProCamera“, bei Android oft „Pro“ oder „Manuell“: Hier kannst du ISO, Verschlusszeit und manchmal auch manuell fokussieren. Manche Apps bieten einen Fokus-Schieberegler.
3. Fokus-Peaking & Fokus-Lupe via Apps
- Apps wie „Camera FV-5“ (Android) oder „Halide“ (iOS) bieten Fokus-Peaking, Lupenansicht oder Focus-Peak-ähnliche Werkzeuge. So kannst du mit dem Handy sehr präzise arbeiten.
4. Nutze HDR und RAW
- HDR kann helfen, wenn der Vordergrund und Hintergrund sehr unterschiedliche Helligkeiten haben — so bleibt mehr Detail sichtbar. RAW erlaubt späteres Nachschärfen ohne Qualitätsverlust.
5. Vermeide automatischen Porträt-/Bokeh-Modus für Landschaften
- Der Porträtmodus zielt darauf ab, den Hintergrund unscharf zu machen — das ist selten das Ziel bei Landschaften. Bei Landschaftsaufnahmen will man meist viel Schärfe über die Szene hinweg.
6. Stabilisieren
- Selfie-Sticks, kleine Reisestative oder einen Stein als „Auflage“ verwenden, um Verwacklungen bei langen Belichtungen zu vermeiden.

Fokus in schwierigen Situationen
Low Light / Nebel / wenig Kontrast
AF kann hungern, weil keine Kanten zu finden sind.
- Lösung: Wechsle auf manuellen Fokus oder nutze Live-View-Vergrößerung. Bei Nebel: oft ist die Stimmung wichtiger als perfekte Schärfe — kleiner ISO, Stativ, und längere Belichtung sind nützlicher als frustriertes AF-Kämpfen.
Bewegter Vordergrund (Gras im Wind, Wasser)
- Verwende kürzere Belichtungszeiten, oder akzeptiere Bewegungsunschärfe als Stilmittel. Wenn du Schärfe im Vordergrund willst, fotografiere in windstiller Minute oder nutze mehrere Aufnahmen und stacke (Achtung: Stacken bei Bewegung schwierig).
Detailverlust durch Beugung (very small aperture)
- Vermeide extrem kleine Blenden (f/22+). Wenn du große Tiefenschärfe brauchst, erreiche sie lieber durch hyperfokales Fokussieren oder Focus Stacking, nicht durch „kleine Blende um jeden Preis“.
Komposition + Fokus = Bildwirkung steuern
Fokus alleine macht kein gutes Foto — die Komposition ist der Regisseur.
- Fokuspunkte als Kompositionsanker: Wenn du auf einen Vordergrundstein fokussierst, nutzt du diesen als Anker, der den Blick ins Bild führt.
- Linien & Schärfe: Eine scharfe Vordergrundlinie (Ufer, Pfad) zieht das Auge entlang der Szene.
- Schärfentiefe als Stilmittel: Wenig DoF (z. B. bei Teleaufnahmen) macht einzelne Elemente prägnant; viel DoF vermittelt Weite.
Beispiele:
- See mit Reflektion: Fokussiere auf die reflektierten Details nahe der Wasserlinie (bei ruhigem Wasser) oder auf ein markantes Vordergrundelement.
- Waldweg: Fokus auf den Vordergrund (näheste Steine/Laub), damit der Weg in die Tiefe führt.
- Bergpanorama: Hyperfokale Einstellung oder Fokus auf einen Punkt paar Meter vor dem vordersten sichtbaren Felsen.
Fehler, die Anfänger oft machen (und wie du sie vermeidest)
- Auf alles gleichzeitig fokussieren wollen. Lösung: Entscheide dich — Vordergrund oder Unendlich. Nutze Fokus-Stacking, wenn beides wichtig ist.
- Zu kleine Blende verwenden (f/22) und Beugung ignorieren. Lösung: f/8–f/11 als Startpunkt; bei Bedarf stacken.
- Automatisch neu komponieren nach Fokus (Fokus-Recompose Problem). Lösung: AF-Lock, Back-Button-Focus oder Live-View-Vergrößerung.
- Handy verwackelt bei langen Belichtungen. Lösung: Stativ oder feste Unterlage nutzen; Timer oder Fernauslöser verwenden.
- AF im Dunkeln kämpfen lassen. Lösung: Manuell fokussieren oder eine AF-Hilfe (Taschenlampenlicht kurz) verwenden.
Kurzer Technik-Quickstart — so fängst du an (Praktisches Mini-How-to)
- Wähle Szene: Vordergrund + Weite? Nur Weite? Entscheide die Hauptidee.
- Stelle Kamera: Weitwinkel (16–35 mm) für Tiefe, 35–70 mm für mittlere Szenen, Tele für entfernte Details.
- Blende: f/8 als Allrounder, f/11 für mehr DoF, f/4–f/5.6, wenn du mehr Licht brauchst.
- Fokus: Live-View + Zoom, dann fokussieren — oder hyperfokal für maximale Landschaftsscharfe.
- ISO: so niedrig wie möglich (z. B. ISO 100–400).
- Verwacklungsschutz: Stativ, Timer 2 s oder Fernbedienung.
- Testbild: 100% Ansicht prüfen (Zoom im Display), ggf. nachfokussieren.
- Optional: Eine Belichtungsreihe (+/- 1 EV) für sicheres Exposure oder HDR.
Übungen für schnell sichtbare Lernfortschritte
- Drei-Fokus-Übung (15 Minuten): Such dir einen Pfad oder Seeufer mit Vordergrund. Mach drei Fotos: (A) Fokus auf Vordergrund, (B) Fokus in die Mitte, (C) Fokus auf Hintergrund. Vergleiche Wirkung.
- Hyperfokal-Experiment: Bei sonnigem Wetter mit Weitwinkel und f/11 drei Bilder: Fokus auf hyperfokale Distanz, auf 1/3 der Szene, und manuell auf Vordergrund. Welche wirkt am weitesten?
- Handy-Lupe: Nimm ein Handybild, vergrößere auf 100% und prüfe Schärfe. Wiederhole mit unterschiedlichen Fokusmethoden (Tap, Lock, Pro-Modus).
- Focus-Stack Basics: Wenn möglich, probiere 5–8 Aufnahmen mit leicht verändertem Fokusabstand (Stativ). Später zuhause stacken (Photoshop/Luminance).
Nachbearbeitung (kurz)
- Schärfen: In Lightroom/Photoshop lokal anwenden (Vordergrund mehr, Himmel weniger).
- Clarity/Texture: Vorsichtig nutzen — zu viel bringt Halos. Besser selektives Schärfen.
- Rauschreduzierung: Bei höheren ISO zuerst rauschen reduzieren, dann vorsichtig schärfen.
Checkliste vor jedem Landschaftsshot (kurz zum Abhaken)
- [ ] Hauptmotiv definiert?
- [ ] Blende/ISO/Verschluss grob eingestellt (f/8–f/11 empfehlenswert)?
- [ ] Fokus gesetzt (Live-View vergrößert oder hyperfokal)?
- [ ] Stativ oder stabile Auflage?
- [ ] AF-Lock / Back-Button-Focus eingerichtet (wenn nötig)?
- [ ] Aufnahme in RAW aktiviert (wenn möglich)?
- [ ] Testbild prüfen (100% Zoom) — scharf? Dann aufnehmen.
Zum Abschluss: einfache Regeln, die wirklich helfen
- Entscheide, was scharf sein soll. Bewusste Entscheidung > zufällige Schärfe.
- Nutze Live-View/Zoom — nichts ersetzt das Auge beim Prüfen.
- Für maximale Schärfe: Stativ + niedriger ISO + angemessene Blende (nicht zu klein).
- Smartphones sind super: Pro-Modus, RAW und Drittanbieter-Apps bringen dir viel Kontrolle.
- Üben, üben, üben — mach verschiedene Fokuspunkte von derselben Stelle aus. Der Unterschied wird dich überraschen.
Kurzer Motivationsschub
Fokus ist weniger ein Geheimwissen als eine Gewohnheit. Sobald du anfängst, bewusst zu fokussieren (ein bewusstes Tippen auf dem Handy oder das Hereinzoomen in Live-View), werden viele deiner Bilder sofort klarer und ansprechender. Es kostet fast nichts, bringt aber viel. Die Natur belohnt Geduld und Genauigkeit — und du wirst Spaß daran finden, wie sich Stimmung und Tiefe verändern, wenn du nur den Fokus verlegst.

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